Das Amtsgericht Hannover hatte in einem Fall zu entscheiden, in dem eine knapp vierstündige Flugverspätung durch eine polizeilich angeordnete Zwischenlandung zur Kontrolle eines ungecheckten Koffers an Bord verursacht wurde.

Das Gericht sprach dem Fluggast eine Ausgleichsleistung nach der Fluggastrechteverordnung zu. Wenn sich ein ungechecktes Gepäckstück an Bord eines Flugzeuges befindet und das Flugzeug auf Anweisung der Bundespolizei zu Kontrollzwecken deswegen landen muss, ist dies nach Auffassung des Gerichts kein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der Fluggastrechteverordnung. Denn dieser Umstand hätte sich vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Nach dem Urteil ist es Sache der Fluggesellschaft dafür Sorge zu tragen, dass kein ungechecktes Gepäck an Bord ihrer Flugzeuge kommt.

Amtsgericht Hannover, Urteil vom 30.09.2013, Az. 532 C 7883/12


Auszug aus den Gründen:

Die Klage ist begründet.

Der Kläger kann von der Beklagten gemäß Art. 5 i.Vm. Art. 7 Abs. 1 lit. b Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (nachfolgend: VO bzw. Verordnung) die Ausgleichszahlung von 400 EUR verlangen.

Der Kläger buchte den Flug Nr. XX 4372, der laut Buchungsbestätigung am 10.9.2011 um 09:50 Uhr von Hannover starten und am gleichen Tag um 14:00 Uhr auf der griechischen Insel Kos, die mehr als 1.500 Kilometer und weniger als 3.500 Kilometer entfernt ist, landen sollte. Die Beklagte war ausführendes Flugunternehmen.

Der Abflug in Hannover am genannten Tag erfolgte erst um 13:45 Uhr. Der Kläger kam mit dem gebuchten Flug erst um 17.45 Uhr und mithin mehr als 3 Stunden verspätet auf der Insel Kos an.

Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass die vorgenannten Vorschriften auf verspätete Flüge nicht anzuwenden sind, da die Regelungslücke dem gesetzgeberischen Willen entspreche. Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 23.10.2012 zu diesem Problemkreis entschieden, die Art. 5-7 VO seien dahin auszulegen, dass den Fluggästen verspäteter Flüge ein Ausgleichsanspruch nach dieser Verordnung zusteht, wenn sie aufgrund dieser Flüge einen Zeitverlust von 3 Stunden oder mehr erleiden, d. h., wenn sie ihr Endziel nicht früher als 3 Stunden nach der vom Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen.

Die von dem Europäischen Gerichtshof in seiner Entscheidung genannte Ausnahme, eine solche Verspätung begründe jedoch dann keinen Ausgleichsanspruch der Fluggäste, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, also auf Umstände, die von dem Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen sind, ist vorliegend nicht gegeben.

Der Kläger bestreitet nicht, dass die Maschine, auf die der Kläger gebucht war, am 10.9.2011 den Flugumlauf XX 2346 HAJ-PMI, XX 2147 PMI-HAJ und XX 4372 HAJ-KGS hatte und dass während des Fluges XX 2146 HAJ-PMI dem Piloten über Bordfunk von der Bundespolizei die Anordnung erteilt wurde, auf dem nächstgelegenen Flughafen Basel zu landen, weil ungecheckte Koffer an Bord seien, der Pilot der Anordnung Folge leistete und der Flug nach Durchsuchen des Gepäcks um 05:31 Uhr wieder starten konnte mit der Folge, dass der Flug XX 2147 mit 3 Stunden und 41 Minuten Verspätung in Hannover landete und der streitgegenständliche Flug ebenfalls mit einer Verspätung von 3 Stunden und 52 Minuten auf Kos landete. Der Kläger bestreitet auch nicht, dass der Beklagten trotz Suche bei sämtlichen deutschen und schweizerischen Fluggesellschaften ein Subchartergerät nebst Crew für 189 Fluggäste nicht zur Verfügung stand und im Idealfall mindestens 4 Stunden Vorlaufzeit benötigt werden, um eine pünktliche Subcharter zu bekommen, was von 05:31 Uhr, dem Start in Basel, bis 09:50 Uhr, dem geplanten Abflug in Hannover zeitlich grundsätzlich möglich gewesen wäre.

Wenn nach dem Vorbringen der Beklagten der Vorflug mit Verspätung von 3 Stunden 41 in Hannover landete und der streitgegenständliche Flug mit Verspätung von 3 Stunden 52 gestartet wurde, kann die geringfügig größer gewordene Verspätung nur dahin verstanden werden, dass seitens der Beklagten keinerlei Zeitreserve eingeplant war, um unvorhergesehene Ereignisse bei vorangehenden Flügen aufzufangen. Wenn sich ein ungechecktes Gepäckstück an Bord einer Maschine befindet und die Maschine auf Anweisung der Bundespolizei zu Kontrollzwecken deswegen landen muss, ist auch dies kein Umstand, der sich auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Es ist Sache der Beklagten dafür Sorge zu tragen, dass kein ungechecktes Gepäck an Bord ihrer Flugzeuge kommt.

Dem Kläger stehen Prozesszinsen auf die Ausgleichzahlung in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 291 BGB seit Zustellung der Klage an die Beklagte am 24.8.2012 zu.